Die Buchhandlungen werden von ihnen mit Infos versorgt, die so nicht im Katalog stehen, für ihre Entscheidungen aber wichtig sind, und die Verlage bekommen durch sie ein breites Feedback zu ihrem Programm: Vertreter sind ein wichtiges Bindeglied in der Buchbranche.
Die Buchhändlerin ist neu, eine Quereinsteigerin, und ihre Begegnung mit dem Vertreter die erste dieser Art. Es ist auch die erste Begegnung für den Vertreter: die erste dieser Reisesaison, die Ende Mai beginnt und Mitte August endet.Die Reise führt durch die ganze Schweiz, zu unzähligen Buchhandlungen, mit denen die Termine in der Regel bereits beim Besuch im Winter, in der vorhergehenden Saison, vereinbart wurden.
Matthias Engel (Bild rechts) und Mattias Ferroni (Bild links), die zusammen die b+i buch und information AG bilden und den rüffer & rub Sachbuchverlag vertreten, sind nach intensiven Vorbereitungen jeweils froh, wenn es endlich losgeht. Als letzte Amtshandlung vor ihrer Reisezeit kündigen sie sich postalisch bei den Buchhandlungen an; mit der Terminerinnerung geben sie auch einen Überblick über die von ihnen vertretenen Verlage, 35 bis 40 an der Zahl, um den Händlern die Vorbereitung auf ihren Besuch zu erleichtern. Dieser persönliche Service ist den Vertretern wichtig. Sie haben mit den Buchhändlern ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, das sie pflegen.
Der kleine Rollkoffer, den sie auf ihren Tagesreisen dabeihaben, ist schwer. Er ist bepackt mit Verlagsvorschauen, ersten Leseexemplaren, die den Händlern geschenkt werden können, und Zeigemustern, die es hauptsächlich in den Bereichen Kunst- und Kinderbuch gibt. Gereist wird im Zug, wo die Zeit vor allem zur Vorbereitung eines Termins genutzt wird, eine Gedächtnisauffrischung: die Vorschauen nochmals durchgehen, Titel markieren, die man unbedingt ansprechen möchte; eine Art Minidurchlauf mit den bereits vorhandenen Notizen, ein Vergegenwärtigen der relevanten Merkmale von Titeln, die für eine bestimmte Buchhandlung interessant sein könnten. Um passende Titel vorschlagen zu können, muss man das Sortiment einer Buchhandlung kennen, die Schwerpunkte und Vorlieben. Auch regionale Unterschiede spielen eine Rolle; so setzt man beispielsweise im Tessin eher auf Ferienlektüre, denn auf Weihnachtsbücher.
Auf Buchfühlung
Wenn sie das erste Mal eine Buchhandlung besuchen, lassen sie sich erst einmal alles zeigen, um einen Eindruck vom Sortiment zu bekommen und herauszufinden, wo Herzblut drinsteckt. Größere Buchhandlungen besuchen Engel und Ferroni zusammen, ansonsten sind sie jeweils allein unterwegs. Es gebe eine informelle Aufteilung, aber grundsätzlich können beide alles vertreten; das ist nicht zuletzt wichtig, wenn einer mal ausfällt.
Zurück zur genannten Buchhändlerin. Sie ist zuständig für das kleine deutschsprachige Sortiment in einer Tessiner Buchhandlung. Sie ist, da noch neu im Job, erwartungsgemäß nicht vorbereitet, weshalb es viel zu erzählen gibt für Matthias Engel. Nun zeigt sich deutlich, wie sehr er das Sortiment bereits verinnerlicht hat. Er führt speditiv, aber ohne Hektik und humorvoll durch die Programme, flicht da und dort kleine Anekdoten ein, präsentiert Zeigeexemplare. Die Buchhändlerin fühlt sich wohl bei dem Gespräch und folgt vielen seiner Empfehlungen. Engel schöpft bei diesen aus seiner Erfahrung mit diesem Standort und behält auch die Ausliefertermine im Hinterkopf.
Im Idealfall sind die zuständigen Ansprechpartner der Buchhandlungen gut vorbereitet. Das heißt nicht nur, dass sie die Vorschauen bereits durchforstet und parat haben, sondern auch, dass sie den Lagerumschlag der Buchhandlung kennen sowie Remissionen und das Budget im Auge haben. Bei Matthias Engel ist dies beim zweiten Termin an diesem Tag im Tessin der Fall. Die Buchhändlerin hat mit ihrer Kollegin bereits besprochen, welche Titel sie gerne für ihren Laden hätten und tauscht sich jetzt über einzelne Titel mit Engel aus. Insgesamt verläuft das Gespräch mit weniger Worten und ebenfalls sehr effizient, selbst wenn die Buchhändlerin zwischendurch Kunden bedienen muss – es ist ein kleiner Laden, und sie hält gerade allein die Stellung. Erfahrungsgemäß werden, je nach Größe der Buchhandlung, maximal zwei Stunden für einen einzelnen Besuch eingeplant. Vier Termine liegen drin an einem Tag, wenn sie günstig auf einer Route liegen.
Überblick schaffen und behalten
Der Leseaufwand sei schon sehr groß, sagt Engel. Man müsse sich effiziente Leseweisen antrainieren und sich dann bei Titeln, die einem persönlich sehr gefallen, disziplinieren. Natürlich hat man nicht das fertige Produkt in der Hand und muss sich ein möglichst genaues Bild machen anhand dessen, was Verlage zur Verfügung stellen: Leseproben, einzelne Kapitel, unfertige und unkorrigierte Manuskripte. Die Leseliste orientiert sich an der Reihenfolge der Besuche der geplanten Reise, daran, was in diesen Buchhandlungen am ehesten gefragt sein wird. Über die Neuerscheinungen werden die Vertreter bei den sogenannten Konferenzen, die die Verlage für sie veranstalten, informiert. Sie sind wichtig, um ein Gespür für das Programm eines Verlags zu entwickeln. Hier erfahren die Vertreter von Lektoren und Verlegern, wie das Sortiment und einzelne Titel entstanden sind, manche Verlage laden dafür auch mal einen Autor ein, der dann ein bisschen erzählt. Hilfreich sind auch interessante »Nebengeschichten«, die man dann bei Buchhändlern anbringen kann, wenn man weiß, worauf diese anspringen. Bei 35 bis 40 Verlagen unterschiedlicher Größe ist dies ein straffes Programm, und bei zwei Saisons pro Jahr können sich die Konferenzen und die Tour de Suisse zu den Buchhandlungen schon mal überschneiden – da muss man den Überblick behalten!
Bei größeren Verlagen kann so eine Konferenz schon mal drei bis fünf Tage dauern, und natürlich ist auch dieser Teil der Arbeit eines Vertreters mit Reisen verbunden. Reiselust ist also eine wichtige Voraussetzung für diesen Beruf – den es eigentlich gar nicht gibt. Es gibt weder eine Ausbildung noch eine Job Description. Einige haben zuvor selbst viele Jahre Erfahrungen im Buchhandel gemacht, einige sind ehemalige Lektoren. Ihr Hintergrund ist meist in der Philologie, den Kultur- oder Politikwissenschaften zu verorten. Und wie so oft bei Berufen, die es nicht gibt, ist die Leidenschaft dafür ein zentrales Merkmal und auch ein entscheidendes Kriterium für die erfolgreiche Ausübung. Es sind in jedem Fall eingefleischte Leser mit unerschöpflichem Interesse an allem, was an Inhalt zwischen zwei Buchdeckel passt.
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