Wenn ein singender Zürcher Regierungsrat einen Hausarzt mimt, dann kann es durchaus sein, dass das Publikum viel zu lachen hat. So geschehen in der Komödie »Die letzte Pointe« von Rolf Lyssy. Darsteller und Jurist Markus Notter berichtet von den aufregenden Dreharbeiten, Lampenfieber, seinem Vertrauen in den Regisseur und wie er überhaupt zu der Rolle kam.
Ich weiß nicht mehr, wann wir uns das erste Mal begegnet sind. Wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Zürcher Filmförderung. Die Branche schlug Alarm und wurde beim zuständigen Regierungsrat vorstellig. Wenn nicht bald eine markante Verbesserung der Filmförderung erfolge, sei es um den Zürcher Film geschehen. Rolf Lyssy war natürlich ein Schwergewicht der Zürcher Filmszene und setzte sich nach Kräften für sie ein. Das Engagement mündete 2004 in die Gründung der Zürcher Filmstiftung.
Wir begegneten uns immer wieder an Orten der Kultur. Im Rigiblick zum Beispiel oder an den legendären Jazz-Abenden im Eden au Lac, wo Rolf am Schlagzeug zusammen mit seinen Kollegen für gepflegte »easy listening music« sorgte. Ich war deshalb nicht besonders überrascht, als mich Rolf zu einem Gepräch bat. Thema unbekannt. Es war einige Zeit nach meinem Rücktritt als Regierungsrat. Wir trafen uns im neuen Restaurant Spitz im Landesmuseum. Er erzählte mir von seinem neuen Spielfilmprojekt. Es war wie gehabt eine Odyssee durch den Förderungsdschungel. Wenn die einen zusagen, sagen die andern ab. Und es dauert und dauert. Ich wurde etwas skeptisch, was meine Leistung zugunsten der Filmförderung anbelangt. So wahnsinnig viel scheint sich nicht verändert zu haben. Aber immerhin war die Finanzierung des neuen Projekts in Reichweite. Was ich damit zu tun haben sollte, war mir nicht klar. Rolf kam dann aber auf den Punkt. Ich solle in diesem Film ein kleine Rolle übernehmen, ein Hausarzt.
Das sei wie gemacht für mich. Gut, ich war geschmeichelt. »Aber wie um Himmels willen kommst du auf mich?« – »Ich habe dich im Rigiblick gesehen, an dem Weill-Abend mit Christian Jenny und Edward Rushton. Du kannst das!« Nein, war ich mir sicher. Das kann ich nicht. Und vor allem will ich mich nicht lächerlich machen als alternder Politiker ohne Amt, aber mit Sehnsucht nach Publikum. Wie es weiterging, weiß ich nicht mehr genau. Jedenfalls sagte ich zu. Wieso? Klar, es gibt den Reiz der Öffentlichkeit. Das ist eine Versuchung. Ich wusste aber auch, wenn Rolf Lyssy mir das zutraut, dann ist das ehrlich gemeint. Und ich hatte das Vertrauen, dass er mich nicht der Lächerlichkeit preisgibt. Rolf ist ein Menschenfreund. Kein Zyniker.
So habe ich ihn auch bei den Dreharbeiten erlebt. Er ist streng und präzis. Aber nie arrogant oder besserwisserisch. Er hatte während der Dreharbeiten einen schweren Velounfall erlitten und war für eine gewisse Zeit ausgefallen. Beim Dreh der Hausarztszene war er wieder auf dem Set, wie wenn nichts gewesen wäre. Ich war brutal nervös. Den Text hatte ich einigermaßen intus, chargierte aber stark, wie man das auf der Laienbühne so macht. Rolf hat mir das geduldig ausgetrieben. Auch Monica Gubser war erstaunlicherweise etwas nervös. Sie wurde aufgrund der Szene an die analoge Situation in ihrem realen Leben erinnert, wo sie beim Arzt ihre Fahrtüchtigkeit unter Beweis zu stellen hatte. Das hat sie etwas gestresst. Für mich war es tröstlich, dass auch die Profis vor der Kamera etwas angespannt sein können. Rolf hat ruhig und einfühlsam korrigiert, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war.
Rolf Lyssy ist ein genauer Beobachter des Lebens. Er hat einen Blick für die Absurdität des Alltags, der man nur mit Humor begegnen kann. Seine Figuren behaupten sich in dieser Alltagsabsurdität ganz tapfer, auch die schwierigen und lästigen werden nicht bloßgestellt. Auch ihnen gilt eine gewisse Sympathie des Menschenfreunds. Die Begegnung mit seinen Filmen ist eine ebenso große Freude wie die Begegnung mit ihm.
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Rolf Lyssy erhält den Career Achievement Award des ZFF
Das Zurich Film Festival (ZFF) zeichnet den großen Schweizer Regisseur Rolf Lyssy für sein Lebenswerk aus und widmet seinem Œuvre eine Retrospektive. Lyssys neuer Film »Eden für Jeden« wird als Weltpremiere gezeigt. Der Zürcher zählt zu den herausragenden Filmemachern der Schweiz, sein Meisterwerk »Die Schweizermacher« ist mit über einer Million Kinozuschauern bis heute der erfolgreichste Schweizer Film.
»Lyssy vermag wie kein zweiter hierzulande Tragik und Komik miteinander zu verbinden. Obwohl seine Filme leichtfüßig inszeniert sind, setzen sie sich mit den essenziellen Fragen des Lebens auseinander«, so Artistic Director Christian Jungen.
»Als mir das ZFF diese Auszeichnung zugesprochen hat, dachte ich, das sei ein 1.-April-Scherz! – Nur dass es halt nicht der 1. April war ...«, sagt Lyssy schmunzelnd. »Ich freue mich sehr über diese Ehre.«
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Bildlegende: links: Jurist Markus Notter als Hausarzt Dr. Erich Hafner. © Langfilm; rechts: Rolf Lyssy. © Elia Lyssy
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