»Don’t judge a book by its cover« heißt ein bekannter Spruch aus dem Verlagswesen. Das Gleiche gilt für den Buchtitel, der ein Teil des Covers ist. Und trotzdem: Wer tut es nicht und lässt sich nicht durch einen Titel verführen – oder lässt das Buch auf der Theke gerade deswegen links liegen?
Eine der Situationen, die mir bei meinen Besuchen der Frankfurter Buchmesse in bester Erinnerung geblieben ist, war, als Verlegerin Anne Rüffer und ich durch die Hallen wandelten und Rudolf Frankl, Marketing- und Vertriebschef von dtv, quasi im Vorbeirennen sagte: »Tolles Buch über Monika Hauser. Aber der Untertitel geht gar nicht.« Für eine kurze Nachfrage und Antwort reichte es auf der hektischen Messe gerade noch: »Mit ›kriegstraumatisierten Frauen‹ verkaufen Sie keine Bücher. Der Titel müsste positiver sein.« Der vollständige Titel und Untertitel lauten »Monika Hauser – Nicht aufhören anzufangen. Eine Ärztin im Einsatz für kriegstraumatisierte Frauen«, und sie beschreiben genau den Inhalt des Buches. Ist es vielleicht, weil die Leserin beim Kauf oder wenn das Buch zu Hause rumliegt, in Verdacht kommen könnte, selbst Opfer einer Vergewaltigung zu sein? Wir dachten immer nur an die verdienstvolle Arbeit der Kämpferin für die Rechte der Frauen und sahen sie als Vorbild: Nicht aufhören anzufangen.
Skeptisch war ich deshalb, als ich zum ersten Mal von »Darm mit Charme« hörte. Wer möchte gern »Alles über ein unterschätztes Organ«, so der Untertitel, lesen? Geschickt wurde hier ein Thema, das auf der Blacklist des Smalltalks steht, vermarktet. Dabei half es, dass das Buch nicht nur bei einem großen Verlag herauskam, sondern die Autorin Giulia Enders gerade frisch das Staatsexamen in Medizin absolvierte, sehr telegen ist und im Buch erläutert, dass Übergewicht, Depressionen und Allergien mit der Darmflora zu tun hätten. Weit über eine Million Käuferinnen und Käufer können nicht irren. Der einfach einprägsame Titel trägt bestimmt dazu bei, dass das Buch zudem bei (Internet-)Buchhandlungen schnell gefunden wird.
Der Buchtitel ist also eine Gratwanderung. Er sollte Aufmerksamkeit erregen, Atmosphäre erzeugen, das Genre erkennen lassen, der Inhalt sein Versprechen einhalten und nicht zuletzt zum Buchverkauf verführen. Oft steckt der Titel in einer Formulierung im Manuskript und muss einfach entdeckt werden. Ansonsten hilft Brainstorming oder auch mal eine kalte Dusche. Schafft man es gar, dass wie bei Hape Kerkelings »Ich bin dann mal weg« ein Titel zu einer Redewendung wird, ist das hohe (Verkaufs-)Kunst.
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