Bestimmt haben Sie sich auch schon darüber aufgeregt: Sie lesen ein Sachbuch oder eine Biografie, es wird das außergewöhnliche »NA House« von Sou Fujimoto in Tokio gelobt, die Schwarze Stockrose erwähnt oder es ist von Alberto Giacomettis Skulptur »Femme au chariot« die Rede – und es gibt keine Abbildung dazu. Was haben sich der Autor und der Verlag dabei nur gedacht!
In Zeiten von Facebook, Instagram etc. ist das Hochladen von Fotos selbstverständlich geworden. Via Suchmaschinen erhält man von einem Sujet oft gleich mehrere verschiedene Bilder präsentiert. Das erwähnte Haus, die Blume und das Giacometti-Werk findet man auf diesem Weg ohne Problem. Sie alle in einem Buch nicht abzubilden scheint geradezu nachlässig zu sein.
Der Sachverhalt ist jedoch wesentlich komplizierter. Selbstverständlich haben der oder die AutorIn und der Verlag darüber diskutiert, ob sie das Bild im Buch zeigen wollen. Doch es verhält sich wohl so: Die Kosten für die Urheberrechte (engl.: Copyright) haben zum Entscheid geführt, davon abzusehen. Denn ein Foto oder Kunstwerk darf in den meisten Fällen nicht einfach in einem Buch gezeigt werden, ohne den oder die KünstlerIn und FotografIn gefragt zu haben und dafür Entgelt zu zahlen.
Drei, vier geschenkte Fotos
Die Kosten für Abbildungen können schnell ein großer Budgetposten werden. Will man ein Buch publizieren, das Abbildungen enthält, so gilt es deshalb von Anfang an abzuklären, wie viele der gewünschten Abbildungen dem Urheberrecht unterstehen. Normalerweise haben sich die AutorInnen noch nie mit diesem Thema auseinandergesetzt und präsentieren dem Verlag ihre Wunschbilder in der Annahme, nur für diejenigen von berühmten Fotografen zahlen zu müssen. Sie haben die Bilder oft aus dem Internet heruntergeladen, haben Dokumente und Kunstwerke selbst fotografiert oder aus Büchern und von Originalen eingescannt. Immer wieder kommt es auch vor, dass die AutorInnen drei, vier Originalabzüge von Fotos mitbringen, die ihnen ein Fotograf geschenkt hat.
Dieses Bildmaterial ist eine tolle Basis für das Bildkonzept des Buches. Alle diese Beispiele sind aber auch Fälle, die überprüft werden müssen. Denn selbst wenn jemand ein Porträt von sich selbst besitzt, das eine Fotografin gemacht hat, bedeutet das nicht, dass man mit dem eigenen Porträtfoto tun kann, was man will. Auch für das eigene Buch oder die eigene Webseite etc. muss man nachfragen, zu welchen Konditionen man es verwenden darf. Denn die Urheberrechte des Fotos liegen bei dem oder der FotografIn, wenn vertraglich nichts anderes abgemacht wurde. Umgekehrt gilt: Wenn ein Autor oder eine Autorin über eine Person ein Porträt schreibt, darf der oder die Porträtierte diesen Text auch nicht ohne Einwilligung publizieren.
Fakten zum Tarif
Um Sie endlich ins Bild zu setzen, von welchen Beträgen wir sprechen: ProLitteris [siehe unten] vertritt sehr viele KünstlerInnen und ihre Werke und handelt die Tarife aus. Gemäß aktuellem »Tarif Bildrecht« kostet die Entschädigung je Reproduktion in einem Buch bei einer Auflage von 501 bis 1000 Exemplaren: ¼-seitig: CHF 80, ½-seitig: CHF 110, 1-seitig: CHF 155; zwischen 2001 und 5000 Exemplaren: ¼-seitig: CHF 110, ½-seitig: CHF 150, 1-seitig: CHF 200. Will man also ein Buch auf dieser Basis mit zwanzig 1-seitigen Bildern illustrieren, dann müssen dafür CHF 3100 respektive CHF 4000 kalkuliert werden. Nebst dem, dass es durchaus auch die Möglichkeit gibt, dass Ihnen jemand kostenlos das OK zur Verwendung einer Abbildung gibt, ist es umgekehrt so, dass berühmte FotografInnen oder ihre Erben sowie gewisse Fotoagenturen höhere Preisvorstellungen haben. Zudem beeinflusst es die Druckkosten, ob die Bilder farbig oder schwarz-weiß abgebildet werden sollen. Eventuell gibt es Zusatzkosten, wenn das Buch auch als E-Book erhältlich sein soll.
Ein Bild, zwei Künstler
Auf dieser Basis kann ein Bildkonzept erarbeitet werden: Ist es notwendig, dass die Bilder an einer bestimmten Stelle gezeigt werden oder ist es sinnvoll, alle Abbildungen an einem Ort zu bündeln? In welcher Größe? Wenn Sie dies wissen, können Sie sich daran machen, die InhaberInnen der Rechte ausfindig zu machen. Das ist nicht immer einfach. Vor allem, wenn die KünstlerInnen nicht mehr leben. Dann gilt die sogenannte Regelschutzfrist, und die Erben übernehmen die Rechte; in der Schweiz und der EU beträgt sie 70 Jahre, beginnend mit dem Ablauf des Todesjahres des Urhebers.
Sie ahnen, das Thema Urheberrechte hat noch weitere Tücken. Viele konnten in diesem kurzen Text nicht angesprochen werden. Zum Schluss möchte ich nochmals zurückkommen auf Alberto Giacomettis Skulptur »Femme au chariot«. Will man das Foto von Ernst Scheidegger im Buch abbilden, so hat man es gleich mit zwei Künstlern zu tun. In beiden Fällen haben die Erben ein Anrecht auf ein Entgelt, man muss also für eine Abbildung doppelt bezahlen.
Haben Sie also Nachsicht, wenn bei Ihrer nächsten Buchlektüre von einem beschriebenen Objekt ein Bild fehlt. Gehen Sie ins Internet, dort finden Sie bestimmt eines.
ProLitteris wurde 1974 von Schriftstellern und Verlegern gegründet und hat den Sitz in Zürich. Sie ist eine Non-Profit-Organisation mit der Rechtsform einer Genossenschaft und nimmt die Urheberrechte ihrer Mitglieder sowie der Mitglieder von ausländischen Schwestergesellschaften (z.B. »VG Wort« in Deutschland) wahr. Die Mitgliedschaft bei ProLitteris ist kostenlos. Bei den vertretenen Werken handelt es sich um Werke der Literatur und der bildenden Kunst. Werden diese in Büchern, Zeitungsartikeln, Bildern, Radio- und Fernsehsendungen, Ton- und Bildträgern, Webseiten etc. publiziert, so haben die KünstlerInnen ein Anrecht auf ein Entgelt. ProLitteris handelt mit Nutzern und Organisationen die Tarife und Verwendungsbedingungen aus. Während bei Texten die Abdruckrechte mit den Rechteinhabern (AutorIn oder Verlag) geklärt und abgerechnet werden müssen, nimmt dies für Werke der bildenden Kunst für Mitglieder die ProLitteris wahr. Auf der Webseite von ProLitteris finden nicht nur die Mitglieder die wichtigsten Informationen zum Urheberrecht, sondern auch Nutzer. https://prolitteris.ch
Wasserzeichen und Persönlichkeitsrecht: Wenn Ihnen bei der Fotosuche auf einer Suchmaschine ein Bild mit Wasserzeichen (siehe links »rüffer&rub«) begegnet, dann handelt es sich normalerweise um ein Foto, bei dem eine Fotoagentur die Urheberrechte des Künstlers vertritt. Umgekehrt bedeutet dies nicht, dass ein Foto ohne Wasserzeichen kostenlos verwendet werden darf. Die meisten Fotos unterstehen dem Urheberrecht. Seien Sie auch vorsichtig, was das Fotografieren von Menschen betrifft. Nicht nur der Fotograf des Fotos links musste für die Veröffentlichung in diesem Magazin um Erlaubnis gebeten werden, sondern auch alle Personen auf dem Bild (Persönlichkeitsrecht). Das Gleiche gilt auch für Ihre Firma, wenn sie Fotos von allen MitarbeiterInnen auf der Webseite oder in einem Werbeprospekt etc. abbilden möchte. Dafür benötigt sie Ihre Einwilligung. Zum »Das Recht am eigenen Bild« erhalten Sie weitere Informationen z.B. unter: www.edoeb.admin.ch (Sucheingabe »Veröffentlichung von Fotos«)
Bildnachweis: © Stephanie Kohler
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