Ein Autorenkollektiv schreibt einen Science-Fiction-Roman: Die Psychologin Berenice, der Key Account Manager Tobias aus der Finanzbranche, der Augenarzt Sven, der Managementberater und -philosoph Stefan sowie die Kommunikationsfachfrau Matea diskutieren: Wie kann man einen Raumzeitsprung auf dem Papier vermitteln? Weshalb kommt es zu einem Tribunal auf Aimo? Muss Shikani ihre Emotionen nicht deutlicher zum Ausdruck bringen? Nein, Bromen würde das nie so sagen! Und der Kupran muss viel näher herankommen, damit Prinz Ja’en rechtzeitig in die Rettungskapsel flüchten kann. Unzählige Fassungen und zwei Jahre später zeigt sich: Aus einer vagen Idee entwickelte sich ein fantastischer Roman, der nebst eingefleischten Fans auch Neulinge im Fantasy-Genre zu begeistern vermag.
Anfangs 2014 skizzierte Stefan ein Konzept: Zwei fiktive Figuren sollten abwechselnd ihre Erlebnisse im Ring der Sterne erzählen. Rasch wurde ihm klar, dass er die breit angelegte Geschichte nicht alleine entwickeln wollte: Zum einen waren unzählige Planeten, Technologien und Handlungsvarianten zu erfinden und aufeinander abzustimmen; zum anderen brauchte er ein Gegenüber, um die Dramaturgie zu prüfen und um jenen Facettenreichtum zu entwickeln, den er sich für das Projekt wünschte. Er entwarf einen Prolog, legte diesen seiner Partnerin sowie einem Studienfreund vor und schilderte, in welche Richtung es gehen sollte. Berenice zog ihren Bruder Sven bei, der in Filmen stets treffsicher Brüche und naturwissenschaftliche Patzer ausmacht: Das Autorenkollektiv Gravity Assist war geboren.
Stefan schrieb, und die Gruppe kommentierte, was nicht funktionierte, was Spannung erzeugte und welche Wendungen die Handlung nehmen könnte. Die ersten Sessions drehten sich vorwiegend um die physikalischen, gesellschaftlichen, philosophischen und politischen Rahmenbedingungen, die die Ereignisse in einer fernen Welt erst plausibel machen. Gemeinsam wurden Namen und Bezeichnungen erfunden, Tobias wollte mehr vom räuberischen Kupran hören, Sven ersann die Grundlagen des Singularitätsantriebs, Berenice spürte den Emotionen der Hauptfiguren nach und bestand auf einer Liebesgeschichte (die sie auch bekam). Zwischen den Sessions, die einmal im Monat stattfanden, verfasste Stefan neue oder überarbeitete bestehende Kapitel. »Mich hat von Beginn weg begeistert, wie wir immer mehr in die Geschichte eingetaucht sind«, schmunzelt Tobias. »Irgendwann haben wir über die Figuren gesprochen, als ob wir sie persönlich kennen.«
Immer häufiger sprengten die Ideen des Kollektivs die Grenzen: Die beiden Erzählfiguren gerieten wesentlich stärker ins Rampenlicht, die Charaktere begannen vermehrt miteinander zu interagieren, neue Figuren und Szenen mussten in die bisherige Handlung integriert werden. Die gemeinsame Reise durch den Ring wurde auch für die Autoren zur Entdeckungsfahrt, im Schreib- und Diskussionsprozess gewann »Die Schwarze Harfe« an emotionaler Tiefe. »Dabei haben wir den Plot und die zeitlichen und räumlichen Spielregeln, die wir uns selber gesetzt haben, kontrovers diskutiert«, sagt Sven. »Was oft dazu führte, dass Stefan ein Kapitel komplett überarbeiten musste.« Berenice: »Stefan hat uns stets beauftragt, Erklärungen zu finden, zum Beispiel, wie genau das metaphysische Element der Schwarzen Harfe funktioniert. Viele Fragen, etwa die Sprache einer fremdartigen Spezies oder der kulturellen Hintergrund einer Raumfahrerkolonie, waren knifflig zu lösen.« Unerwartete Wendungen boten dem Autorenkollektiv häufig ein Aha-Erlebnis. »Ein neues Element«, so Stefan, »muss nicht nur plausibel sein und in die Geschichte passen, es muss zwingend die Handlung und die Figuren weiterentwickeln.« Regelmäßig haben sich Stefan und Tobias zu zweit bei einer Flasche Wein getroffen und an thematischen Sackgassen herumlaboriert. »Als ich Tobias den Schluss erzählte, fand er ihn nur mäßig spannend. Auf dem Heimweg hatte ich dann die Eingebung, wie ich alle Handlungsstränge zu einem dramatischeren Abschluss bringen könnte – es war ein Glücksmoment.«
Je mehr die Geschichte an Fahrt aufnahm, desto aufwändiger wurde es, den Gesamtzusammenhang und die Konstellation der Figuren nicht aus den Augen zu verlieren. Vor einem Jahr stieß Matea zum Team: »Science-Fiction-Romane sind eigentlich nicht mein Ding, doch vom ersten Moment an war ich von der emotionalen Wucht fasziniert.« Unermüdlich kniete sich Matea in den Text, feilte an Sprache und Plausibilität und begleitete den mehrfachen Überarbeitungsprozess. Den eigentlichen Härtetest musste »Die Schwarze Harfe« schließlich im Lektorat bei Anne Rüffer bestehen, die mit Nachdruck ermutigte, den Figuren noch mehr Profil zu geben, und die im strukturellen und sprachlichen Aufbau jenes Tempo einforderte, das die Autoren zunächst nicht hinbekommen hatten. »Ich hätte nie gedacht, wie groß das Projekt wird und wie viel Substanz es von uns fordert«, blickt Stefan zurück, »nun ist es ein Buch, wie wir es selber gerne lesen möchten: eine lebhafte Handlung und komplexe Figuren, deren Schicksal und Wandlung in einem lebensechten Rhythmus stattfinden, in dem wir uns ein Stück weit wiederfinden.«
Gravity Assist sind: Stefan Bommeli, Tobias Bangerter, Berenice Bommeli, Matea Zosak, Sven Hirsch-Hoffmann.
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