Ein Mann soll in seinem Leben ein Buch schreiben, einen Baum pflanzen und ein Kind zeugen, so sagt ein Sprichwort. Dass es nichts von seiner Gültigkeit verloren hat, beweisen die täglich eintreffenden Manuskripte bei den Verlagen – auch von Frauen.
»Die Fremdwörter Lektion und Lektor sind aus dem lateinischen lector ›Leser, Vorleser‹ abgeleitet, das wiederum eine Bildung zu legere ›auflesen, sammeln; auswählen, lesen‹ ist.« Ist diese Definition inhaltlich korrekt? Dies gilt es für den Lektor ebenso zu prüfen wie die Frage, ob die Formulierung vielleicht nicht etwas holprig daherkommt und dem Stil des restlichen Textes entspricht.
Doch bevor das Manuskript gelesen und redigiert wird, muss es »aufgelesen« und »ausgewählt« werden. Dies kann auf verschiedenen Wegen geschehen; der berühmteste ist jener der unaufgefordert zugesandten Manuskripte. Einen Fantasyroman in einem Sachbuchverlag veröffentlichen zu wollen ist jedoch selbst beim nachdrücklichen Betonen, dass es »der neue Harry Potter« sei, verlorene Liebesmühe. Es lohnt sich also für Autoren, vor dem Versand des Manuskripts auf den Homepages der Verlage zu recherchieren, welche Schwerpunkte sie setzen und ob das eigene Buch in das Programm passen könnte. Immer wichtiger werden die Literaturagenturen, die für ihre Autoren den richtigen Herausgeber suchen, und für den Lektor eine erste Auslese aus den zigtausend Manuskripten vornehmen.
In unseren Verlagen wird es geschätzt, wenn wir in einem möglichst frühen Stadium eines Buchprojekts involviert werden, wenn der Text also noch nicht geschrieben ist. Das bedeutet, dass wir Themen und potentielle Autoren »sammeln« müssen: Welche Fragen aus den Verlagsbereichen »Zeitfragen«, »Kunst, Kultur, Musik«, »Medizin, Psychiatrie« wurden gemäß unserem Slogan »Sachbücher zu Fragen, die Antworten verdienen« noch nicht beantwortet? Über welchen außergewöhnlichen Menschen gibt es noch keine Biographie? Wer ist die richtige Person, die darüber schreiben kann? Welche Journalisten und Experten führen eine spitze Feder, und haben sie Muße und Zeit, ein Buch zu schreiben? Der Autor liefert ein provisorisches Inhaltsverzeichnis und ein Exposé; es ist die Grundlage für die Diskussion zwischen Autor, Lektor und Verlegerin und für den Entscheid, ob das Buch in einer der nächsten Verlagsvorschauen als neuer Titel präsentiert werden soll. Danach vergehen Monate, bis der fertige Text in der Mailbox des Lektors eintrifft und er wieder als »lector« ins Spiel kommt. Dabei ist er in der Zwischenzeit nicht tatenlos. Denn als Projektmanager ist er auch Vermittler zwischen Autor, Verleger, Graphiker, Marketing-, Presse- und Herstellungsabteilung. Aber mehr davon – oder vom Bäumepflanzen – in der nächsten Lektion.
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