Als Jakob von Uexküll 1980 den ersten Preisträgern des Right Livelihood Award die Urkunde überreichte, ahnte er nicht, dass die von den Medien als »Alternativer Nobelpreis« geadelte Auszeichnung einmal zu den wichtigsten Ehrungen weltweit zählen wird. Und: Sie kann sogar Leben schützen!
Ein kurzer Blick zurück: Im Jahr 1980 schreibt Jakob von Uexküll einen Brief an die Nobelstiftung in Stockholm und schlägt vor, neben den bestehenden Nobelpreisen (Physik, Chemie, Medizin, Literatur, Frieden, Wirtschaft) einen weiteren einzuführen – für besondere Verdienste im Kampf gegen Armut und für eine saubere Umwelt. Die Ablehnung, »Alfred Nobel habe so einen Preis nicht vorgesehen«, hält den Briefmarkenhändler Uexküll nicht von seiner Idee ab. Nach dem Verkauf eines Teils seiner großen Privatsammlung gründet er die Right Livelihood Foundation und beginnt nach Menschen zu suchen, die mit ihren Ideen die Welt verändern – zum Besseren. Das Credo des Stifters: Wir wollen das Engagement derjenigen auszeichnen und der Öffentlichkeit vorstellen, die praktikable Lösungen gegen die Verschmutzung von Luft, Erde und Wasser, die Gefahr von Nuklearwaffen, die Verletzung von Menschenrechten und die Abschaffung der Armut anzubieten haben.
Preisträgerin 1984: Wangari Maathai, Politikerin und Umweltaktivistin in Kenia. Die Medien belächelten die Preisträgerin als »Bäumchenpflanzerin«. Jahre später horcht die Welt auf: 2004 erhielt sie den Friedensnobelpreis.
So unterschiedlich die bis heute 166 Preisträger aus 68 Ländern auch sind, ihre Konzepte lesen sich wie ein Handbuch zur Lösung sämtlicher großen Probleme unseres Planeten. Und sie zeigen, wie visionär die ehrenamtlich tätige Jury, bestehend aus elf Mitgliedern, bei der Bestimmung der jährlich vier Preisträger agiert.
Preisträger 2013: Hans R. Herren, Agrarwissenschaftler aus der Schweiz, beweist, wie man mit ökologischer Landwirtschaft die Lebensbedingungen in Afrika und – konsequent umgesetzt – für die ganze Welt verbessern kann.
Wie man Alternative Nobelpreisträger findet
Ein markanter Unterschied zu vielen Auszeichnungen auf diesem Niveau ist, dass nicht eine elitäre Gruppe von Experten die Kandidaten nominiert, sondern dass jede/jeder einen Menschen via Webseite der Stiftung vorschlagen kann.* Erfüllt ein Vorschlag alle Voraussetzungen, beginnt die Arbeit des Research-Teams. Unter der Leitung von Sharan Srinivas werden die Kandidaten auf »Herz und Nieren« geprüft. Die Researcher »durchleuchten« die Kandidaten und ihre Organisation. Sie analysieren und dokumentieren aufgrund von persönlichen Gesprächen mit den Nominierten, welche Ziele diese verfolgen und welche Wirkung sie mit ihren Aktivitäten erzielen.
Preisträgerin 2016: Svetlana Gannushkina, Menschenrechtsaktivistin in Russland für ihr jahrzehntelanges Engagement für die Menschenrechte von Flüchtlingen und Migranten in Russland.
Eine weitere Besonderheit des Alternativen Nobelpreises: Nicht nur die Kandidaten werden persönlich besucht, die Researcher holen auch kritische Stimmen ein, befragen – so weit möglich – selbst explizite Gegner der Kandidaten. Damit ist gewährleistet, dass die Jury-Mitglieder über sämtliche zugänglichen Informationen verfügen, um zu entscheiden, ob diese Person geeignet ist, das Credo der Stiftung zu repräsentieren: Die Welt zu einem lebenswerten Ort für alle zu gestalten, die gegebenen Ressourcen zu schonen und die Würde des Menschen zu gewährleisten.
Preisträger 2014: Edward Snowden, Computerspezialist aus den USA, informierte die Weltöffentlichkeit über die internationalen Überwachungs- und Spionagetätigkeiten der US-Regierung.
Im Herbst des jeweiligen Jahres trifft sich die elfköpfige Jury an einem abgeschiedenen Ort und wählt aus den durchschnittlich 120 Kandidaten pro Jahr die vier neuen Preisträger. Als Basis dienen umfangreiche Dossiers über jeden Kandidaten; ein besonderes Augenmerk gilt der Frage, wie nachhaltig die Projekte sind und wie fundiert die Organisation diese verfolgt. Von zentraler Bedeutung ist zudem, ob diese Projekte der ganzen Gesellschaft dienen und nicht nur die Interessen von Einzelnen bedienen. Und nicht zuletzt schaut die Jury sehr genau hin, ob ein Kandidat mit seinem eigenen Lebensstil wirklich für »Right Livelihood«, eine verantwortliche Lebensführung, steht. Lediglich die Kandidaten, die eine langfristige Veränderung bewirken und die auf allen Ebenen die Jury einstimmig überzeugen, kommen durch einen mehrstufigen Selektionsprozess in die engere Wahl.
Preisträger 1980: Hassan Fathy, Architekt in Ägypten. Statt Wellblechhütten, in denen sich die Menschen tagsüber vor Hitze kaum aufhalten können und nachts zu erfrieren drohen, ließ er für die Armen seines Landes Lehmziegelhäuser bauen.
Bild oben: Alternativer Nobelpreis: 168 Preisträgerinnen und Preisträger aus 68 Ländern
Anerkennung und Schutz
Wer sich für die Menschenrechte und die Umwelt einsetzt und sich dabei mit »den Mächtigen« anlegt, setzt sich nicht selten großen Gefahren an Leib und Leben aus. Durch ihr Engagement decken Aktivisten häufig Missstände auf und tangieren meist die materiellen Interessen von Politikern und Konzernen. Auch die Alternativen Nobelpreisträger erfahren dies immer wieder: Seien es die couragierten Journalisten der türkischen Zeitung »Cumhuriyet«, die täglichen Repressalien ausgesetzt sind, oder die Menschenrechtsanwältin Jacqueline Moudeina aus dem Chad, die nicht aufgab, bis Diktator Hissène Habré endlich vor Gericht gestellt und verurteilt wurde. Von Afghanistan bis Uganda arbeiten sie unter schwierigsten Bedingungen, werden von korrupten Regimen bedrängt oder gar verhaftet.
Preisträgerin 2015: Sheila Watt-Cloutier, Inuit aus Kanada, plädiert für die Rechte der Ureinwohner und zeigt, wie wichtig der Erhalt der Arktis für den gesamten Planeten ist.
Doch je mehr und häufiger die Öffentlichkeit von diesen mutigen Menschen erfährt, desto schwieriger wird es, sie zum Schweigen zu bringen. Die Auszeichnung mit dem Alternativen Nobelpreis bietet Schutz und hat schon einige von ihnen vor Haft und Folter bewahrt, oder wie es die Menschenrechtsaktivistin Helen Mack Chang aus Guatemala erlebte: Als sie nach der Preisverleihung 1992 zurückkehrte, wurde sie am Flughafen vom Polizeichef mit den Worten empfangen: »Now you are untouchable.«
Jährlich vergibt die Jury drei dotierte Preise und einen Ehrenpreis. An den jeweils im Dezember stattfindenden Zeremonien – Preisübergabe in Stockholm, Lecture in Genf und Zürich – besteht die Möglichkeit, diesen lebensklugen Menschen persönlich zu begegnen. Und die Chance, sich dieser Bewegung anzuschließen und selbst ein Teil der Lösung zu werden. Termine und Informationen über die Preisträger: www.rightlivelihoodaward.org
* www.rightlivelihoodaward.org/honour/nominate. »Guidelines« führt zum Formular
Anne Rüffer ist seit 2008 Mitglied der Jury
Bildlegende: Preisträger 2016: Syria Civil Defense, die »Weißhelme« in Syrien, retten unter Einsatz ihres Lebens die Opfer skrupelloser Bombardierung seitens der eigenen Regierung. © The Right Livelihood Award Foundation
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