Martin »Hauzi« Hauzenberger schreibt fast schon sein Leben lang, singt fürs Leben gern und beschäftigt sich leidenschaftlich mit der Geschichte. Bei diversen Gelegenheiten hat er die Passionen vereint, zum Beispiel in dem Buch »Grosse Schweizer Kleinkunst« (2010). Darin erzählen er und der Theaterwissenschaftler Manfred Veraguth die Schweizer Geschichte des Kabaretts, der Comedy und Liedermacherei. Aus Platzmangel konnte der Journalist und Liedermacher Martin Hauzenberger nur einen kleinen Teil seines Wissens ausbreiten. Das war bei der Biografie »Franz Hohler – Der realistische Fantast«, die er fünf Jahre später verfasste, auch nicht anders.
Kürzungen sind sich Journalisten gewohnt. Hauzenberger hat in unzähligen Redaktionen gearbeitet, von der damals linksliberalen Basler »National-Zeitung« Anfang der 1970er-Jahre bis zur Wirtschaftszeitung »Cash«. Zuletzt war er Produzent und Autor bei der »Zeitlupe«. Mit 70 Jahren musste er im Juni endgültig aus der Redaktion austreten. Gerne wäre er Teil des Teams geblieben, aber er ist sich bewusst: »In der heutigen Situation, in der viele Jüngere einen Job suchen, ist es nicht fein, wenn man sitzen bleibt.«
Fragt man Martin Hauzenberger nach den aufregendsten Momenten als Journalist, muss er nicht lange überlegen. Es ist ein historisches Ereignis: der Redaktionsstreik bei »Die Tat«, 1978. Die Zeitung wurde von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler ins Leben gerufen. Innerhalb kurzer Zeit wandelte sie sich von der Wochen- zur Tageszeitung und 1977 zur konsumentenfreundlichen Boulevardzeitung ohne Sex and Crime. Als Chefredaktor Roger Schawinski vor die Tür gesetzt und ein »lammfrommer Journalist« zum Nachfolger ernannt wurde, eskalierte die Situation. Es kam zum ersten – und in der Schweiz bisher einzigen – Redaktionsstreik.
Festbruder Zwingli
Hauzenberger, der seit 1973 nebenbei als Liedermacher unterwegs ist, packte die Gelegenheit beim Schopf und schrieb zum Streik das ganz und gar nicht liebe »Liebeslied a d’Migros«. Wie die Single entstand, dazu gäbe es eine tolle Geschichte. Martin Hauzenberger weiß zu allem wunderbare Geschichten zu erzählen. So kommt es beim Gespräch mehr als einmal vor, dass er bemerkt: »Ich bin wieder etwas ausschweifend geworden.« Und bei den Auftritten mit seiner Band beliebt er zu sagen: »Für alle, die mich zum ersten Mal hören: Meine Auftritte sind auch Geschichtsstunden.« Die Ansagen zu seinen Mundartliedern oder zu einem Emmentaler Tango verwebt er mit historischen Exkursen, die verblüffen und falsche Vorstellungen entblößen. Mit Genuss erläutert Hauzenberger, dass das Hackbrett, entgegen landläufiger Meinung, nicht nur in den Alpenländern verbreitet ist, sondern seit Jahrhunderten auch in Nordamerika, Osteuropa, dem Mittleren und dem Fernen Osten zu Hause ist. Oder – aus Anlass des Reformationsjubiläums –, dass Ulrich Zwingli rund zehn Instrumente beherrschte – darunter auch das Hackbrett – und ihm von seinen Gegnern vorgeworfen wurde, er sei ein Festbruder und mache lieber Musik als anständige Theologie.
Tanz auf mehreren Hochzeiten
Hauzenberger ist kein Festbruder, aber er tanzt gern auf mehreren Hochzeiten. So gab er in den letzten Monaten in der Zürcher Lebewohlfabrik mit seiner Band ein Konzert und organisierte zwei »Hauzis Liedermacher-Stubete«, u.a. mit Manuel Stahlberger, Aernschd Born und dem Trio Dodo Hug. In der Kirche Gerzensee (BE) trat er zusammen mit seinem Schwager, dem ehemaligen Münsterorganisten von Bern, an zwei Abenden auf: Kurzweilig sei es zu- und hergegangen, als sie zum Thema »Reformation und Musik« erzählten und dazu musizierten. Und der Pfarrerssohn Hauzenberger ist auch nicht unschuldig daran, dass in diesem Herbst die Reformation das Thema einer Lichtshow ist, die auf das Bundeshaus projiziert wird. Dank seiner Begeisterungsfähigkeit half er mit, die Organisatorin von dem Thema zu überzeugen, und berät sie inhaltlich bei dem Projekt.
Es ist müßig anzumerken, dass Martin »Hauzi« Hauzenberger auch in Zukunft in die Tastatur greifen – für einen Beitrag zur Reformation hat er der »Zeitlupe« bereits zugesagt – oder die Hackbrett- und Gitarrensaiten zum Schwingen bringen wird. Eine CD mit »Martin Hauzenberger & Friends« ist ebenfalls angedacht: Es gibt sicher schon bald neue Geschichten zu erzählen.
Lesetipp »Grosse Schweizer Kleinkunst«
»Endlich hat die große Schweizer Kleinkunstszene ihre Bibel bekommen.« – DIE ZEIT
Lesetipp »Franz Hohler – Der realistische Fantast«
Der Autor »hat zu diesem Anlass [50. Bühnenjubiläum] eine, wie könnte das bei dem Porträtierten anders ausgehen, kurzweilige Lebensbeschreibung vorgelegt«. – NEUES-DEUTSCHLAND.de
Bildlegende: links: Martin (Hauzi) Hauzenberger am Hackbrett zu Hause in seinem Musikzimmer. rechts: Aernschd Born, zusammen mit dem Gitarristen Jan Herzog, an »Hauzis Liedermacher-Stubete« in der Zürcher Lebewohlfabrik. © Felix Ghezzi
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