Hans Rudolf Herren hat in Afrika erfolgreich die biologische Kontrolle über die verheerende Maniok-Schmierlaus erreicht. Im Interview sagt der alternative Nobelpreisträger von 2013, warum eine Landwirtschaft nach agrar-ökologischen Prinzipien für die Zukunft der Menschheit entscheidend ist.
Gab es einen konkreten Auslöser oder Anlass für Ihre Vision?
HRH: Zunächst waren dies die Erfahrungen auf dem elterlichen Bauernhof. Später war es die Arbeit meines Professors an der ETH Zürich, die mir den Weg in die nachhaltige Landwirtschaft gezeigt hat.
Wie wird aus Ihrer Vision Wirklichkeit?
HRH: Ich musste raus aus der Schweiz, nach Kalifornien, weil man dort schon weiter war, was integrierter Pflanzenschutz und biologische Schädlingsbekämpfung als Grundstein der nachhaltigen Landwirtschaft betraf.
Mit wem haben Sie Ihre Vision geteilt?
HRH: Mit meinen Professoren an der ETH und der University of California, wo ich mein Post-Doc-Studium absolviert habe. Beide haben meine Vision einer nachhaltigen Landwirtschaft und eines tragfähigen Nahrungssystems stets unterstützt.
Welche Partner/Verbündete konnten Sie finden?
HRH: Ich habe vor allem während meiner Zeit in Kalifornien in Mitstudenten und auch Professoren gute Verbündete gefunden. Später hatte ich das Glück, einen sehr vorausschauenden Menschen kennenzulernen; er war ein Experte des International Fund for Agricultural Development (IFAD) in Rom. Als er mich in Nigeria besuchte, nahm ich ihn in die Maniok-Felder mit und zeigte ihm das Problem, das ich lösen wollte. Nachdem ich ihm ausführlich meine Vision vorgetragen hatte, hat er sich sofort entschieden, mir die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Nachher gab es sehr viele, die mich weiter unterstützt haben, um die Ideale und Visionen umzusetzen.
Was bezeichnen Sie als Ihren größten Erfolg und was als Niederlage?
HRH: Der größte Erfolg ist die biologische Kontrolle der Maniok-Schmierlaus quer über Afrika. Als Niederlage sehe ich vor allem den UNO-Landwirtschaftsbericht, den ich ko-präsidierte und der nicht wie erhofft eine permanente Institution geworden ist, wie zum Beispiel der Klimawandel-Report, der alle 5 Jahre aufgearbeitet wird. Der Bericht verlangte eine Transformation der Landwirtschaft nach agrar-ökologischen Prinzipien. Aber die Agrarindustrie und die Regierungen der USA, von Kanada und Australien haben sich dezidiert dagegen gewehrt.
Was konnten Sie daraus für die Zukunft lernen?
HRH: Dass man nie alles im Voraus wissen kann und trotzdem vorwärtsmachen muss. Die »Niederlage« des Weltagrarberichts ist in gewisser Hinsicht auch nur oberflächlich; viele Befürworter des Berichtes, inklusive der »Biovision«-Stiftung, arbeiten seit der Herausgabe ständig an der Umsetzung und weiteren Verbreitung und erreichen, dass die Errungenschaften dieser Arbeit in die Entwicklung der Nachhaltigkeitsziele aufgenommen werden. So beeinflussen der Bericht und die wichtigsten Erkenntnisse daraus, trotz der negativen Einstellung gewisser Regierungen und der Agrarindustrie, die Entwicklung. In Kürze: Nie seine Vision aufgeben, einfach weitermachen.
Visionen zu verwirklichen braucht Durchhaltevermögen. Woraus beziehen Sie die Motivation und Kraft, dranzubleiben?
HRH: Wenn man an eine Sache glaubt, kann man Berge versetzen. Es bewegt sich etwas, wenn auch nur langsam, und in die richtige Richtung.
Was sind die nächsten Etappen?
HRH: Die erfolgreiche Umsetzung der UNO-Nachhaltigkeitsziele. Dies ist schlussendlich unsere letzte Chance zum Überleben. Alles andere wird sich in irgendeiner Art wiederholen, wir Menschen nicht. So ist es von größter Wichtigkeit, dass wir alles tun, um innerhalb der planetaren Grenzen zu leben. Mein Beitrag dazu sind die Arbeiten am Millennium Institute, wo wir Modelle bauen, die es den Entscheidungsträgern und der Zivilgesellschaft erlauben, Szenarien durchzuspielen und vernünftige Entscheide für eine nachhaltige Zukunft zu fällen.
Bildlegende: Hans Rudolf Herren lebte und forschte während 26 Jahren in Afrika. Er betont: »Mein Leben und meine Arbeit sind geprägt von der Überzeugung, dass alle Menschen das Recht auf genügend Nahrung und eine gesunde Umwelt haben.« © Biovision
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