Weltweit sind viele Fischbestände übernutzt. Manche KonsumentInnen möchten daher Fische kaufen, die noch »vertretbar« sind. Doch für Laien ist es alles andere als einfach einzuschätzen, worauf sie achten sollten – im Laden wie im Restaurant. Gibt es denn keine einfache Faustregel, an die man sich halten kann? Doch, gibt es!
Weltweit werden jedes Jahr rund 91 Mio. Tonnen Fische und andere Wassertiere gefangen. Der Ertrag stagniert seit Jahren, weil die meisten Fischbestände seit Langem weit stärker ausgebeutet werden, als sie natürlich nachwachsen können. Das schuf Raum für die Aquakultur, die seit den 1950er-Jahren um 7–9 % pro Jahr wächst und derzeit rund 80 Mio. Tonnen Fische pro Jahr produziert. Zusammen mit den gefangenen Fischen betrugt der Ertrag im Jahr 20181 total 171 Mio. Tonnen. Das sind zwischen 1000 und 3000 Mrd. Tiere, die in nur einem Jahr gefangen oder in der Aquakultur »geerntet« wurden.2 Zum Vergleich: Jährlich werden etwa 60 Mrd. Landtiere geschlachtet.
Nur inländische Fische kaufen?
Würden alle SchweizerInnen nur noch Schweizer Fisch essen, wäre das ökologischer. Das Problem ist aber folgendes: Gemäß einer neuen Studie des Vereins fair-fish werden in der Schweiz pro Kopf und Jahr etwa sechs Kilo Fischfleisch (Filets) gegessen, das entspricht 40 Fischmahlzeiten pro Jahr. Das Lebendgewicht der betroffenen Fische ist etwa dreimal so groß, denn rund zwei Drittel eines Fischs essen wir nicht. Da diese Nachfrage unmöglich mit inländischen Fischen gedeckt werden kann, werden rund 95 % der im Inland verspeisten Fische importiert. Wenn also alle KonsumentInnen gleiches Anrecht auf Schweizer Fisch haben sollen, reicht die Inlandproduktion nur für zwei Fischmahlzeiten pro Kopf und Jahr!
Oder nur Fisch aus Entwicklungsländern?
Fisch ist eines der wichtigsten Produkte im globalen Handel. Wertmäßig die Hälfte davon wird von Entwicklungsländern in die Industrieländer exportiert. Ein großer Teil dieser Menge wird aber nicht von lokalen Fischern, sondern von großen Schiffen aus Asien und Europa gefangen, verarbeitet und in die Heimathäfen transportiert. Das nennt man »sea grabbing« und es ist das Gegenteil von Fairem Handel, den es bei Fischen noch immer nicht gibt, trotz eines Pionierprojekts von fair-fish im Senegal.3 Damit wenigstens ein Teil des Mehrwerts in den Entwicklungsländern verbleibt, müssten wir Fische kaufen, die von einheimischen Fischern gefangen und lokal verarbeitet wurden. Genau das war das Ziel einer Kampagne4 von fair-fish, doch leider kann der Handel dies noch nicht garantieren.
Dann also lieber Fische aus Zucht?
Bereits die Hälfte aller weltweit verzehrten Fische stammen aus der Aquakultur. Zumindest die Fischbestände in den Ozeanen werden so entlastet – glauben viele. Hauptmotiv für die massiven Investitionen in die Aquakultur war aber nicht die Sorge um die Fischbestände, sondern die Aussicht auf Einkommen und Gewinne. Zudem trägt auch Fischzucht zur Überfischung bei. Der westliche Markt verlangt vor allem nach Raubfischarten wie Lachs, Forellen oder Wolfsbarsch, deren Futter auch in der Zucht Fischmehl und Fischöl enthalten muss, gewonnen aus einer auf kleine Arten spezialisierten Fischerei. Darum wird in der Zucht von Raubfischen zwei- bis dreimal so viel Fisch verfüttert, wie am Ende gewonnen wird.
Drittens leben die meisten Zuchtfische vom ersten bis zum letzten Tag in einer künstlichen und monotonen Umgebung. Aus Kostengründen werden sie eng beisammen gehalten. So können sie die Verhaltensweisen ihrer Art nur insofern ausleben, als dass sie an Gewicht zulegen und nicht schon vor der Schlachtung sterben. Apropos: Auch in der Aquakultur endet das Leben der meisten Fische qualvoll, ohne vorgängige Betäubung.
Die Forschungsgruppe von fair-fish international erarbeitet Grundlagen für Farmer, die ihren Fischen ein artgerechteres Leben ermöglichen wollen.5 Von der Praxis werden solche Ansätze allerdings erst langsam aufgegriffen.
Aha, also nur Fische mit Label?
Manche KonsumentInnen achten beim Kauf von Fischen auf Labels (links), die eine ökologisch etwas rücksichtsvollere Fischerei oder Zucht garantieren. Das Tierwohl berücksichtigen bis jetzt ansatzweise erst Biolabels, Fairer Handel hingegen ist noch für kein Label ein Thema.
Außerdem decken Labels bestenfalls etwa einen Viertel der weltweiten Produktion aus Fang und Zucht. Labels gehen zwar einen Schritt in die richtige Richtung, doch das genügt nicht.
Auswahl von im deutschsprachigen Raum gebräuchlichen Labels für nachhaltige Fischerei: Marine Stewardship Council (MSC) und Friend of the Sea (FOS) und für nachhaltige Fischzucht: Aquaculture Stewardship Council (ASC), FOS, Bio Suisse und Naturland (Deutschland). fair-fish (ganz rechts) ist das einzige Label, das für Nachhaltigkeit, Tierschutz und Fairen Handel steht; seiner Strenge wegen ist es auf dem Markt bisher nicht präsent.
Weniger wäre deutlich Meer!
Von der Industrie unabhängige FischereibiologInnen sagen, die Fangmengen müssten so lange um die Hälfte reduziert werden, bis sich die Fischbestände komplett erholen. Zudem dürfte die Fischerei nur noch mit schonenden Methoden betrieben werden, und der Fang von Fischen für die Aquakultur müsste ganz eingestellt werden.
Davon ausgehend hat fair-fish eruiert, was nachhaltiger Fischkonsum bedeutet: maximal eine Fischmahlzeit pro Monat.6 Im Gespräch halten das KonsumentInnen für eine gute Richtschnur: Direkt wirksam und einfach zu merken, ohne langes Studium von Fischlisten oder Labelrichtlinien. Maßhalten ist gut für die Umwelt und die Fischbestände und reduziert gleichzeitig das Ausmaß des milliardenfachen Leidens der Fische beim Fang und in der Zucht.
Billo Heinzpeter Studer ist der Gründer von fair-fish
1 fao.org – Suche: »SOFIA 2018«
2 fishcount.org.uk
3 fair-fish.ch/was-wer-wo/wo/senegal
4 fair-fish.ch/aktuell/migration
5 fishethobase.net
6 fair-fish.ch/wissen/gesundheit
Bildlegende: oben: Schleppnetz-Fangschiffe in einem kroatischen Hafen – eine zerstörerische Fischerei. © Studer, fair-fish
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