Endlich! Endlich denkt man, wenn man das Buch zum ersten Mal in den Händen hält. Und man fragt sich, wieso eigentlich nicht jede Woche ein Buch zu dem Thema erscheint. Denn Boden und Immobilien sind mit Abstand das größte volkswirtschaftliche Gut. Bei hundert Prozent Betroffenheit – jeder braucht Boden zum Essen, Wohnen, Geschäften – sind die Wohnkosten für die meisten Menschen der größte Posten im Haushaltsbudget.
In der feudalistischen Agrarwirtschaft, als es noch keine Maschinen gab, war der zehntenpflichtige Boden das einzige Kapital. Es war alleinige Grundlage und Voraussetzung für den Reichtum und die Macht der Grundbesitzer, in weiten Teilen Europas der Adel und der Klerus. Die meisten Kriege wurde um die Territorialherrschaft über Grund und Boden geführt, und die koloniale Ausbeutung fußte auf der Nutzung von Menschen und Bodenschätzen. Boden ist eben nebst Wasser und Luft die essenzielle Güterklasse. Jeder möchte den leistungsfreien Ertrag aus dem Grundbesitz, die sogenannte Bodenrente, die man allein aufgrund dessen erzielt, dass einem der Boden gehört.
Deshalb tobte schon immer ein Krieg um die Bodenrente – gestern, heute und morgen. Überall auf der Welt schnappt sich das anonyme globale Kapital unseren (Agrar-)Boden und unsere Immobilien. Mit fatalen volkswirtschaftlichen Folgen. Denn die Bodenrente fällt nicht vom Himmel, sondern muss von den Nutzenden, also uns allen, bezahlt werden. Die modernen Landvögte sind äußerst extraktiv und saugen aus den Haushaltseinkommen das Maximum ab. Entsprechend explodieren überall auf der Welt die Boden- und Immobilienpreise, und darum auch die Mieten. In den Großstädten – sei es Berlin, Madrid, Barcelona, London, Vancouver, San Francisco oder Basel – formt sich Widerstand. Die Menschen suchen verzweifelt nach Alternativen, die Staaten und Kommunen suchen händeringend nach Regulierungen. Die Boden- und Immobilienpreise werden zur großen ökonomischen Frage dieses Jahrhunderts.
Höchste Zeit also für dieses Buch. Denn es ging und geht auch anders. Ausgehend von der erfolgreichen Volksinitiative »Boden behalten – Basel gestalten«, die mit 67 Prozent Ja-Stimmenanteil angenommen wurde, wird aus verschiedenen Perspektiven aufgezeigt, dass es Alternativen zur Kapitalverwertungslogik auf dem Grundgut Boden gab und gibt: Die Eigentumsverhältnisse sind entscheidend – das ist Kern und Klammer der wunderbar überschaulich portionierten einzelnen Beiträge. Diese lesen sich wie ein Krimi durch die Welt der Immobilien und der Bodenrente. Der Spannungsbogen hält an: Von der Geschichte des Bodeneigentums- und des Bodenrechts, in dem es keineswegs klar war, dass der Boden überhaupt jemandem gehört; den Ideen der großen Denker über die Bodenfrage; über die realen ökonomischen Verhältnisse, das Betongeld und die internationalen Verflechtungen des »Landgrabbing«; bis zu den realen Modellen, Lösungen und Erfahrungen im gemeinwohlorientierten Umgang mit Liegenschaften und mit Grund und Boden von Zürich, dem roten Wien und Singapur; ergänzt durch verschiedene konkrete Beispiele zu dem zentralen bodenpolitischen Instrument – dem (Erb-)Baurecht; abgerundet durch reale bodenpolitische Erfahrungen und Vorbilder in Basel und bodenpolitische Initiativen in der Schweiz und Deutschland.
Selbst für Leute wie mich, die sich nun seit 20 Jahren mit diesem Thema intensiv befassen, ist das Buch äußerst lehrreich. Ja mehr noch – eine veritable und spannende Entdeckungsreise voller Fundstücke und Aha-Erlebnisse. Und damit wird das Buch zu einem regelrechten Nachschlagewerk: Ein Must-have für alle politisch und ökonomisch interessierten Menschen, für Menschen, die sich dem Gemeinwohl und der Gemeinnützigkeit verpflichtet fühlen, für sämtliche Lokal- und Bundespolitikerinnen und Politiker und natürlich auch für die Medienschaffenden, die sich berechtigt fühlen, darüber zu schreiben.
In dem Sinne: Ein Riesenlob an die Initiantin und den Initianten dieses Buches, dessen Wert immens ist. Denn auf unsere Gesellschaft und unsere Volkswirtschaften wartet die gigantische Herausforderung, das Bodenproblem zu lösen. Und ein großes Dankeschön an den Verlag, der damit einen risikoreichen Beitrag leistet, aus Nischenwissen Mainstreamwissen zu machen. Endlich! Denn schließlich geht es um die große soziale und ökonomische Frage vergangener Zeiten, sicher aber die größte dieses Jahrhunderts.
Jacqueline Badran ist Unternehmerin, Nationalrätin, Boden- und Immobilienpolitikerin
Bildnachweis: © Jacqueline Badran
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